Nach einem meiner letzten MINI-RETREATS im Wald möchte ich noch nicht nach Hause gehen, sondern ein paar Zeilen in mein Notizbuch schreiben.
Noch ganz beseelt von den Natureindrücken mit der kleinen Gruppe von Frauen, setze ich mich nicht wie üblich auf die schöne Sonnenbank, sondern auf einen moosbewachsenen Stein im Schatten. Ich nehme die direkte Umgebung in Augenschein.
Mein Blick bleibt an einer Birke in circa drei Metern Entfernung hängen. Am unteren Ende des Stammes erkenne ich, dass sie wohl schon lange hier steht. Ihre Rinde ist hier nicht typisch weiß, sondern braun, rau und sehr uneben. Ähnlich wie die Rinde einer Kiefer.
Mein Blick wandert nach oben. Ich sehe einige große Pilze am Stamm. Die Baumkrone fehlt. Oh, sie scheint schon tot zu sein.
Aber waren da nicht grüne Blätter im unteren Drittel?
Mein Blick wandert zurück nach unten. Ja, kurz vorm Boden sind neue Zweige mit frischen Blättern daran.
Ich schaue genauer. Es ist keine neue junge Birke am Fuße der alten. Es sind tatsächlich frische Triebe, die aus demselben Baum herauswachsen.
Oben hat sich die Birke ihrem Schicksal ergeben. Pilze sind Nutznießer. Unten erwächst sie zu neuem Leben.
Die Birke sieht nicht mehr idealtypisch aus.
Aber sie ist interessant.
Sie hat meinen Blick, meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Ich bewundere ihr neues einzigartiges Aussehen und ihre Fähigkeit von unten neu zu wachsen.


Mir kommt die ursprüngliche Definition von Resilienz in den Sinn.
Resiliere (lat.) bedeutet „zurückspringen, abprallen“ und beschreibt die Fähigkeit eines Systems nach Einflüssen von Außen wieder in die ursprüngliche Form zurückzukehren.
In der aktuellen Forschung wird Resilienz als psychische Widerstandsfähigkeit definiert (siehe auch: Resilienz-Begriffe einfach erklärt)
Aber ist es immer so, dass Resilienz bedeutet, dass man sich von den Auswirkungen einer Krise wieder schnell erholt und in die alte Form zurückfindet?
Ist es nicht mindestens genauso oft der Fall, dass die neue Form anschließend nicht mehr dieselbe ist?
Es können sich ganz „neue Formen“ ergeben.
Psychische Systeme, die die Krisen und Herausforderungen nicht nur gut überstehen, sondern sich dabei verändern, vielleicht auch „Teile“ ihrer alten Form losgelassen haben.
Teile ihrer Erwartungen an bestimmte Rollen im Leben, Teile ihres Verhaltens, Teile ihrer inneren Einstellungen und Gedankenmuster.
Und in ihrer neuen Form eine stärkere Präsenz und Energie haben, die die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung, anderer Menschen, auf sich zieht.
Der Gedanke gefällt mir.
Ich beschließe ihm Raum zu geben weiter zu wachsen.
Danke an die resiliente Birke, die mir diesen #Sinnblitz bescherte.