Er darf gehen. Ich darf ihn loslassen. Denn er ist eine Illusion.
Es wäre übermenschlich zu glauben, dass es möglich ist. Es ist eine Behauptung der Medien, der neuen Zeit. Ein Bild, das erzeugt wird und als scheinbare Normalität suggeriert wird.
Eine Suggestion, die zur gefährlichen Autosuggestion werden kann. Die auf Dauer unzufrieden und krank machen kann. Die natürliche Lebendigkeit des menschlichen Seins unterdrückt.
Wovon ist die Rede?
Ich schreibe über den Wunsch, alles gleichzeitig unter einen Hut zu bringen.
Familienmanagement und Business. Erwartungen an verschiedene Rollen, die jede für sich erfüllbar, aber niemals gleichzeitig möglich sind.
Woher kommt dieser Wunsch? Ist es mein eigener, innerer Antrieb? Oder viel eher ein Wunsch, der sich einschleicht. Langsam und vor allem unreflektiert.
Die Beeinflussung von Außen: „Work-Life-Balance“.
Ein Begriff, der genau da ansetzt, wo der Boden fruchtbar ist und ungeschützt.
Der Boden, auf den er trifft, ist ein Gefühl der Unsicherheit, des infrage Stellens der eigenen Energie, der eigenen Kraftreserven, der eigenen Fähigkeiten.
Bin ich nicht gut genug, um eine gute Work-Life-Balance zu schaffen? Wieso schaffen es andere?
Unbemerkt keimt auf diesem offenen Boden, die Beeinflussung von Außen: Work-Life-Balance, daran musst du arbeiten! An der Balance zwischen den verschiedenen Rollen. Dann schaffst du sie auch gleichzeitig.
So entsteht der innere Wunsch. Schleichend. Unbemerkt.
Der Verstand sagt schon lange: „Nein, du musst gar nichts.“
Aber die Fremd-Beeinflussung wurde schon zur Selbst-Beeinflussung. Ungesund und schädlich. Denn das Unterbewusste reagiert auf das “Nein” des Verstandes mit Widerstand.
So fließt die Energie immer wieder hinein in den Versuch alles gleichzeitig zu schaffen. Angeführt vom heimlichen, verinnerlichten Wunsch.
Zum Loslassen braucht es daher mehr als einen Zettel zu schreiben und ihn zu verbrennen.
Mehr als eine Aussage des schlauen Verstandes, der sagt, Work-Life-Balance ist eine Illusion. Es bedarf der Erkenntnis, dass das Unbewusste längst einen heimlichen Wunsch daraus gemacht hat.
Einen Wunsch, den es liebevoll zu betrachten gilt. Was steckt dahinter? Welche eigenen Bedürfnisse möchten damit erfüllt werden?
Und die Frage: Wie kann diese Lücke gefüllt werden, wenn der Wunsch gehen darf?
Was braucht es an Einfühlung, an Liebe, an Selbstwertschätzung, damit die Lücke nicht schmerzt?
Ich spüre hinein in den Wunsch. Ich schreibe über ihn und mit ihm. Er ist ein Teil von mir. Ich bin gespannt, was er mir noch alles erzählen wird.
Und vielleicht ist er irgendwann bereit, selbst loszulassen.